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Armer Poet und Global Player

von einer Studentin aus Karlsruhe

Nach den vergangenen sechs Monaten, in denen ich meine zweite Diplomarbeit geschrieben habe, bin ich wahrlich um einige Erfahrungen reicher. Erfahrungen, die natürlich jeder selbst machen muss, wie auch in anderen Lebenssituationen. Leichter wird's aber, wenn man sich wenigstens mal anhört, wie andere diese doch sehr herausfordernde Aufgabe angepackt haben. Ich habe während meiner Diplomarbeit immer wieder Leute genervt, die das Ganze schon hinter sich hatten. Wie viel Zeit hast du für den Druck deiner Diplomarbeit eingeplant? Wie oft hast du dich mit deinem Prof. an der Hochschule getroffen? Wie gesagt, das macht jeder anders aber dennoch, einige Tipps haben mir sehr weitergeholfen und deshalb dieser Exkurs in eine meiner heißesten Phasen des Lebens.

Manche bekommen nie genug und so auch ich nicht. Meine erste Diplomarbeit habe ich an einer Universität geschrieben. Meine zweite an einer Hochschule. Mal von der Art, wissenschaftliche Arbeiten zu schreiben abgesehen, die Arbeitsbedingungen und die Anforderungen während meiner Diplomarbeiten waren so unterschiedlich wie Bundesliga und Weltmeisterschaft.

Während meiner ersten Diplomarbeit, die ich an einer Universität geschrieben habe, entwickelte ich mich zu einer Eigenbrötlerin, die Tag und Nacht in ihrem stillen Kämmerchen saß, tausend Bücher um sich rum verteilt hatte und die Welt außerhalb der Diplomarbeit, bis auf lebenserhaltende Dinge wie dem Einkauf bei Aldi oder dem Gang zur nächsten Wäscherei, ausgeblendet hatte. Kennt ihr das Bild von Spitzweg „Der arme Poet“?

In einem Hauptseminar schrieb ich eine Seminararbeit über Kreolsprachen und schnappte den beiläufig ausgesprochenen Satz meines Profs auf, dass es doch sehr ratsam sei, seine Hauptseminararbeit zu einer Diplomarbeit auszuarbeiten. Den habe ich mir gemerkt und als es dann soweit war habe ich meinen damaligen Prof. in seiner Sprechstunde aufgesucht – gut vorbereitet versteht sich.

Besprechungen solcher Art sollten immer gut vorbereitet sein. Folgende Punkte können euch bei der Vorbereitung helfen:

Ich machte ihm also einen Vorschlag zu einem Diplomarbeitsthema, mit einer ganz groben Struktur und mit den wichtigsten Punkten, die ich in der Diplomarbeit diskutieren wollte. Ich kam mir vor wie beim Standesamt – so nach dem Motto: willst du mich heiraten? Denn in dem Moment hielt ich wirklich um die betreuende Hand meines Profs an, der zu meinem Glück angetan von dem Thema war und einwilligte, mich während meiner Diplomarbeit zu betreuen. Ich hatte einen neuen Vater. Einen Diplomarbeitsvater. Von seiner Präsenz machte ich in den folgenden vier Monaten neben diesem ersten Besuch nur noch ein zweites Mal Gebrauch. Den Rest der Zeit habe ich in meinem stillen Kämmerchen gelesen, geschrieben, umgeschrieben, gelesen, überarbeitet, geschrieben … Das Positive war, dass mein Prof. vor Abgabe der Arbeit 20 Seiten meiner Arbeit Korrektur gelesen hat und mir unglaublich wichtige Tipps und Optimierungsvorschläge unterbreitet hat. Wenn ihr also die Gelegenheit habt, eurem Prof. Probeseiten zu geben (macht nicht jeder!), dann macht unbedingt davon Gebrauch. Sucht euch ein ganz zentrales Kapitel raus, dessen Inhalt auf die gesamte Arbeit Auswirkung hat.

Meine zweite Diplomarbeit war eine ganz andere, weitaus herausfordernde Aufgabe, eher in Richtung Weltmeisterschaft. Das Studium an einer Hochschule hat den großen Vorteil, dass Wissenschaft mit Praxis verzahnt wird. Während meiner erste Diplomarbeit in der Unibibliothek einstaubt, profitiert von meiner zweiten Diplomarbeit ein „Global Player“ – so hoffe ich zumindest.

Durch diese Verzahnung ergibt sich aber auch ein großer Konflikt. Denn nicht immer ist das, was man an der Hochschule lernt besonders praxistauglich. Oder positiv formuliert, die Praxis fordert ein flexibles Anpassen des Gelernten. Das hab ich erlebt, als ich in einem großen Weltkonzern meine zweite Diplomarbeit geschrieben habe. Ich kam also mit meinem Wissenskoffer dort angetrabt und musste feststellen, dass ich dessen Inhalt nicht 1:1 auf den Bedarf der Abteilung anwenden konnte (man nennt das auch: Praxisschock). Das heißt, ich musste ihn, den Koffer, erst einmal unterm Tisch abstellen und mit meiner Betreuerin der Firma die genauen Anforderungen meiner praktischen Arbeit klären. Mit diesen Anforderungen bin ich dann zurück zu meinem Koffer und habe mir die Inhalte rausgesucht, die mir bei der Umsetzung nützlich waren. Das heißt nicht, dass die gelehrte Theorie, die für den Moment nicht praxistauglich ist, grundsätzlich unbrauchbar ist. Es hängt immer vom Einzelfall ab.

Schreibt man eine Diplomarbeit in einer Firma, gibt es nicht nur eine Instanz, die man zufrieden stellen muss, sondern gleich zwei. Und die können oft nicht unterschiedlicher sein als Bundesliga und Weltmeisterschaft. Was genau will die Hochschule?

Sie will u. a. sehen, dass …

Und nicht zu vergessen: es ist die Hochschule, die eure Arbeit bewertet!

Die Hochschule will aber auch sehen, dass ihr Konflikte erkennt, die sich aus den Anforderungen der Praxis ergeben. Diese Konflikte sind ein gefundenes Fressen für eure schriftliche Ausarbeitung, denn durch ihre Darstellung könnt ihr beweisen, dass ihr über Fachkompetenz aber auch Flexibilität, Kreativität und Kundenfreundlichkeit verfügt. (Das Hauptkapitel meiner Diplomarbeit hieß sogar „Methodik und Vorgehensweise“ - heißt übersetzt soviel wie: was sagt die Wissenschaft und was habe ich draus gemacht.)

Das Wichtigste dabei ist, dass ihr eure praktische Vorgehensweise begründet. Stellt euch vor, ihr seid ein Vermittler zwischen Hochschule und Praxis. Die Praxis profitiert von eurem Fachwissen, die Hochschule kann durch euch überprüfen, inwieweit die gelehrte Theorie noch realistisch ist. Natürlich hängt es von eurem Prof. ab aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich sehr offen mit meiner Professorin über diesen Konflikt reden konnte. Überhaupt, die Kommunikation mit eurem Prof. ist sehr wichtig. Was gar nicht gerne gesehen wird ist, wenn ihr Dinge im Alleingang macht und überzeugt seid, dass es schon richtig so ist. Habt ihr eine Schwierigkeit, dann klopft lieber einmal mehr an die Tür eures Profs. In meinem Fall konnte ich sogar zu allen Tages- und Nachtzeiten meine Fragen per E-Mail stellen und habe immer innerhalb von 24 Stunden Antwort erhalten (vielleicht ein positiver Einzelfall?). Und auch in diesem Fall: stellt ganz präzise Fragen und lasst erkennen, dass ihr euch schon eigene Gedanken über das Problem gemacht habt. Die Diplomarbeitzeit ist auch sinnbildlich als Abnabelung von der Hochschule zu verstehen. Noch könnt ihr von dem Wissen eurer Profs profitieren, habt aber schon einen Fuß draußen in der Praxis und macht euer eigenes Ding – oder das der Firma.

Im Rückblick kann ich sagen, dass es die Punkte waren, die ich nicht mit meiner Professorin abgesprochen habe, die mir im Nachhinein den einen oder anderen Minuspunkt eingebracht haben.

Was gibt es sonst noch? Ach ja: aller Anfang ist schwer. Ein Spruch, der einem im Laufe des Lebens auf die Nerven gehen kann aber unheimlich viel Wahrheit in sich birgt.

Ich habe immer geglaubt, in jeder Sekunde meines Diplomarbeitlebens effektiv sein zu müssen. Effektiv recherchieren, effektiv schreiben, effektiv an meiner praktischen Aufgabe arbeiten, effektiv Kaffee trinken, effektiv entspannen. Doch diese Bewertungsbrille macht es einem oft viel schwerer. Denn auch scheinbar nebensächliche Tätigkeiten, die man im Rahmen der Diplomarbeit für die Diplomarbeit macht, können sich später als sehr sinnvoll herausstellen. So z. B. einen Zeitplan oder ein Mindmap erstellen mit allen Aufgaben und Fristen für diese Aufgaben. Oder mal 1-2 Stunden im Internet surfen und Expertenforen abklappern, sich nach Fachzeitschriften erkundigen oder einen Plausch mit einem Abteilungsmitarbeiter halten, all das gehört dazu und wer weiß, vielleicht ergibt sich daraus mehr als erwartet?

Und auch wenn ihr einen Entwurf macht, ihn nach ein paar Sekunden wutentbrannt zerknüllt und ins Altpapier haut – auch das hat sich gelohnt. Denn eurer Wissen, eure Gedanken, eure Erkenntnisse, das alles befindet sich in einem ständigen Prozess. Eine Freundin von mir hat mich in einem schwachen Moment sehr schön mit folgenden Worten beruhigt: „Du fängst bei A an und nicht bei Z!“

Eure Arbeit wächst und irgendwann habt ihr das Know-how und wisst, wo noch etwas umformuliert werden muss oder wo etwas inhaltlich noch nicht so ganz stimmt. Die Hauptsache ist, ihr fangt an! Alles Weitere ergibt sich …

Zuletzt noch ein paar Dinge, an die ihr denken solltet:

Und vergesst nicht: Jeder Berg lässt sich erklimmen. Mit Konzentration, Ruhe und Ausdauer!

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